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Formen der Dystonie

Eine Beschäftigungsdystonie oder auch aufgabenspezifische Therapie ist eine fokale Dystonie, die bei bestimmten Tätigkeiten auftritt. Am häufigsten sind die Hände oder einzelne Finger betroffen. Man unterscheidet bspw. den Schreibkrampf, bei dem es beim Schreiben zu einer zunehmenden Finger-oder Handgelenksbeugung bzw. Streckung kommt. Manchmal ist dieser mit einem zusätzlichen Tremor (Schreibtremor) assoziiert.

Prof. Dr. Sergiu Groppa

Der Blepharospasmus ist eine Dystonie, bei der es zu einer unwillkürlichen Kontraktion der Augenmuskulatur u.a. Mm. Orbiculi und teilweise auch anderer periorbitaler Muskulatur kommt.  Bei dem Betroffenen kommt es dabei zu einem unwillkürlichen krampfartigen Zusammenkneifen der Augen. Oft sind im Verlauf beide Augen betroffen. Übrige Gesichtsmuskulatur sind meist nicht betroffen. Provokationsfaktoren sind bspw. helles Licht, Wind oder Lesen.

Prof. Dr. Sergiu Groppa

Bei der generalisierten Dystonie kommt es am ganzen Körper zu unwillkürlichen repetitiven Muskelkontraktionen, die den Kopf und den Rumpf sowie die Extremitäten mitunter in eine abnorme Haltung zwingen oder zu dystonen Bewegungen führen. Vor allem kommt es zu überwiegend drehenden Bewegungen des Kopfes, des Schultergürtels sowie der Extremitäten. Die Erkrankung tritt häufig familiär gehäuft auf und beginnt meist im Kindesalter.

Prof. Dr. Sergiu Groppa

Meige-Syndrom   

Das Meige Syndrom stellt eine Kombination von einem Blepharospasmus und einer zusätzlichen Dystonie der Gesichtsmuskulatur bzw. oromandibulären Dystonie dar. Hierbei kommt es durch Auslöser wie „Sprechen“ oder „Kauen“ sowohl zu einem oft beidseitigen Blepharospasmusses als auch zu krampfartigem Öffnen des Mundes und/oder dystonen Bewegungen der unteren Gesichtsmuskulatur.

Prof. Dr. Sergiu Groppa

Die Myoklonus-Dystonie (DYT-SGCE, DYT11) ist eine seltene erbliche Dystonieform. Die meisten Patienten leiden unter den schnellen, einschießenden, blitzartigen Muskelzuckungen, den sogenannten Myoklonien. Diese treten verstärkt im Oberkörper auf und nehmen bei körperlicher Aktivität oder psychischer Belastung der Patienten zu. Häufig leiden die Patienten auch unter einer zervikalen Dystonie und/oder einem Schreibkrampf. Noch häufiger kommt es neben den motorischen Beschwerden auch zu psychiatrischen Symptomen wie Angststörungen, Depressionen und Abhängigkeitserkrankungen. Bei ca. 60% der Myoklonus-DystoniePatienten kann eine Mutation im Epsilon-Sarkoglykan-Gen (kurz SGCE-Gen) gefunden werden. In der Literatur sind außerdem aktuell wenige Familien beschrieben, bei denen eine Mutation im KCTD17-Gen gefunden werden konnte. Aktuell bleibt aber leider bei einem Großteil der Patienten die genetische Ursache unklar. Leider gibt es bis zum heutigen Zeitpunkt keine ursächliche Therapie der Erkrankung. An symptomatischen Therapiemöglichkeiten steht neben der Pharmakotherapie auch die Tiefe Hirnstimulation zur Verfügung.         

Priv.-Doz. Dr. med. Anne Weißbach 

Die oromandibuläre Dystonie (oris=Mund; mandibula = Unterkeifer) wird gelegentlich auch als Mund-, Zungen-und Schlundkrampf bezeichnet. Insbesondere ist die Kaumuskulatur bzw. die Muskulatur der unteren Gesichtshälfte einschließlich des Mundbodens und der Zunge betroffen. Die Verkrampfungen bzw. unkoordinierten Bewegungen können spontan auftreten, aber auch die Nahrungsaufnahme und die Artikulation zum Teil erheblich beeinträchtigen und zu Bissverletzungen, Zahnabrieb, Schmerzen und ungewolltem Grimassieren in den betroffenen Muskeln führen. Ist die Schlundmuskulatur mitbetroffen, können Schluckstörungen resultieren. Unterschieden wird zwischen einem Kieferöffnungstyp, einem Kieferschließungstyp. Die Symptome können auch nur einseitig auftreten.

Die Ursache ist, abgesehen von eher seltenen Fällen wie Auftreten nach Kopfverletzung, Schlaganfall oder Einnahme von Neuroleptika, weitgehend unbekannt.

Die Diagnose ergibt sich durch das charakteristische klinische Bild. Hilfreich kann eine elektromyographischer Untersuchung sein. Bei Angaben von Schluckbeschwerden muss aufgrund der erheblichen Relevanz einer Aspirationspneumonie eine videoendoskopisch kontrollierte Schluckdiagnostik durch einen Phoniater durchgeführt werden. Differenzialdiagnostisch müssen andere neurologische Erkrankungen wie der Spasmus hemifacialis bedacht werden.

Eine kausale Therapie ist nicht beschrieben, zielführend ist in der Regel die Injektionstherapie mit Botulinumtoxin. Je nach klinischer Ausprägung können auch myofunktionelle Übungen oder eine konventionelle Dysphagie Therapie sinnvoll sein.

Prof. Dr. Dr. Martin Ptok

Das Segawa Syndrom ist eine Dystonie, die typischerweise in der Kindheit beginnt und  tageszeitliche Schwankungen mit einer Zunahme in der zweiten Tageshälfte aufweist.  Ausgangspunkt sind Defekte in Genen, die die Bildung des körpereigenen Botenstoffs Dopamin steuern. Dadurch kommt es zu einem Dopaminmangel, der mit frappanter Wirksamkeit durch Einnahme von Dopamin – Medikamenten ausgeglichen werden kann. Deshalb wird diese Störung auch meist als Dopa-sensitive Dystonie bezeichnet. Nicht selten wird das Segawa Syndrom mit frühkindlichen Hirnschäden (‚Zerebralparese‘) verwechselt. Manchmal wird es auch einfach übersehen, sodass die hochwirksame Dopa -Therapie nicht zum Einsatz kommt.

Prof. Dr. Dirk Dressler

Die spasmodische Dysphonie, manchmal auch als laryngeale Dystonie bezeichnet, ist eine dystone Störung welche in erster Linie die Kehlkopfmuskulatur betrifft und zu einer Stimmstörung bis hin zum kompletten Stimmverlust führt. Die Stimme ist je nach Muskelbeteiligung entweder gequetscht, knarrend und scheppernd (Adduktor-Typ) oder flüsternd und verhaucht (Abduktor-Typ). Häufig tritt die Symptomatik „aufgabenspezifisch“ nur beim Sprechen auf, beim Singen oder Lachen klingt die Stimme dagegen normal. Die Diagnose einer spasmodischen Dysphonie kann neben der klinischen Beurteilung durch einen HNO-Arzt oder einen Neurologen durch eine endoskopische Untersuchung (Spiegelung des Kehlkopfes) oder mittels Ableitung der Aktivität der Kehlkopfmuskulatur (Elektromyographie) beim Sprechen gestellt werden. Behandlungsmethode der ersten Wahl ist die lokale Injektionstherapie mit Botulinumtoxin, welche bei dieser Dystonieform aber nur in wenigen spezialisierten Zentren angeboten wird.

PD Dr. Christian Blahak

Bei der tardiven Dystonie handelt es sich um eine dystone Bewegungsstörung, die längere Zeit nach Behandlungsbeginn mit bestimmten Medikamenten, in erster Linie Dopaminrezeptorblockern (Neuroleptika) entsteht; man bezeichnet sie daher auch als „Spätdyskinesien“. Bedeutend ist dabei die Dauer und Dosis der Neuroleptika-Einnahme – je länger bzw. höher diese ist, desto wahrscheinlicher entwickelt sich eine tardive Dystonie, manchmal auch lange Zeit nachdem das auslösende Medikament bereits wieder abgesetzt wurde. Die Symptomatik kann kombiniert unterschiedliche Regionen des Körpers einbeziehen, am häufigsten ist allerdings die Mundregion mit unwillkürlichen Bewegungen der Lippen-, Kiefer- und Wangenmuskulatur (oromandibuläre Dystonie) betroffen.  Therapeutisch ist in Absprache mit dem betreuenden Arzt ein Absetzen des auslösenden Medikamentes oder die Umstellung von einem „klassischen“ auf ein sogenanntes „atypisches“ Neuroleptikum zu empfehlen. Darüber hinaus kommen die Behandlungsmaßnahmen anderer Dystonieformen in Frage, vor allem die tiefe Hirnstimulation erscheint bei der tardiven Dystonie erfolgversprechend.

PD Dr. Christian Blahak

Bei diesen fokalen Dystonien sind die Halsmuskeln betroffen. Je nachdem, welche Muskeln beteiligt sind, kommt es dabei zu unterschiedlichen Fehlhaltungen oder unwillkürlichen Bewegungen. Beim einseitigen Befall des Musculus sternocleidomastoideus (Torticollis spasmodicus), der häufigsten Form, ist eine Kopfrotation, bei beidseitigem Befall eine Neigung nach vorne die Folge. Es können jedoch weitere Halsmuskeln einzelnen oder in Kombination und begleitend auch die obere Rumpfmuskulatur betroffen sein.  Die Aktivität der Dystonie kann abhängig von äußeren Faktoren, wie zum Beispiel Stress, stark schwanken, durch Anlegen eines Fingers an das Kinn („geste antagoniste“) kann die Kopfbewegung unterdrückt werden. Begleitend tritt nicht selten eine rhythmische Tremor artige Komponente auf. Als Folge einer starken Halsrotation kann es zu schweren Schäden der Halswirbelsäule kommen, die eine operative Behandlung erforderlich machen.

hier den Bericht von Dr. Donatus Cyron weiterlesen